Gegen den Wind – Motorradfahren in der arktischen Klimazone

Ein Reisebericht von Tom Pätz
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Teil 7 / 7


Auch die kommenden Tage sind sonnig und ruhig. Ich spüre die Anstrengungen der letzten drei Wochen. Etwas abseitig meiner Route, im Naturschutzgebiet Nordreisa, habe ich mir zum ersten Mal auf der Tour eine Hütte im Wald für einige Tage gemietet. Es riecht wunderbar, neben der Hütte rauscht ein Bach. Von hier aus erkunde ich zu Fuß aber auch mit dem Motorrad das Naturschutzgebiet.

Grillen im Naturschutzgebiet Nordreisa mit zufällig getroffenen Wanderern. Sie sprachen kein Englisch. Wir haben uns trotzdem gut unterhalten.

Von meiner Hütte im Naturschutzgebiet fahre ich an jeweils einem Tag die zwei Häfen Øksfjord und Skjervøy an.

Øksfjord
Auf dem Weg nach Øksfjord habe ich in einem 4,6 km langen, einspurigen, dunklen Tunnel eine Schrecksekunde. Der Vorderreifen tanzt mehrfach auf nassem, lehmigem Grund von einer Spurrille in eine andere und zurück; fast wäre ich gestürzt. In dem Tunnel gibt es nur einer Spur und keine Verkehrsregelung. Alle paar hundert Meter sind Ausweichstellen und nur diese sind beleuchtet. Mit sehr viel Rücksichtnahme arrangiert man sich.

Von Øksfjord habe ich einen Blick auf Norwegens fünftgrößten Gletscher, den Øksfjordjøkulen. Er ist der einzige Gletscher auf dem norwegischen Festland, der direkt in das Meer kalbt.

Gelegentlich gibt es auf meiner Tour einfach nur eine Zapfsäule mit BENZIN.


Skjervøy
Die Straßen nach Skjervøy laufen selten geradeaus; sie sind gewunden, es gibt unzählige Kurven, als würden sie Haken schlagen. Das Straßenband türmt sich auf, wie hohe Wellen im Meer. Ich fahre dann in die Höhe, in den Himmel und sehe nicht, was nach dem Wellenkamm kommt. Und zwischendurch laden Parkplätze zum Stauen über die überwältigende Landschaft ein.


Auf dieser ellenlangen Achterbahn erreiche ich Skjervøy. Es ist eine Kommune aus Inseln im nördlichen Teil der Provinz Troms. Die 2.900 Einwohner sind auf verschiedenen Inseln verteilt. Es ist ein typischer Fischerort, allerdings mit blauen Lagunen, weißen Sandstränden und malerischen Brücken. Die Sonne scheint und ihre Wärme löst meine Anspannung ein wenig. Ich fühle in mir, fern von Wind, Schnee, Regen und rutschigen Fahrbahnen, fern von Müdigkeit und Erschöpfung, das wohlige Gefühl von Stolz, es gegen alle Unwetterbilden hiergeschafft zu haben.

Streckenposten vor einer Baustelle in einem Tunnel auf dem Weg nach Tromsø

Tromsø
Tromsø erreiche ich bei leichtem Nieselregen. In der Nacht zieht der Nieselregen weg. Ich bin nach vier Wochen wieder in einer größeren Stadt mit Bars und Restaurants.

Willkommen zurück im normalen Leben mit Ampeln und Telefonzugang. Im Hafen beobachte ich das Ein – und Auslaufen der Schiffe der beiden Reedereien, die die 34 Postschiffhäfen zwischen Bergen und Kirkenes regelmäßig bedienen.

Im Tourist Office ist ein Angestellter auch Motorradfahrer. Er empfiehlt mir für morgen einen Tagestrip. Am nächsten Tag folge ich der Empfehlung und umrunde die Insel Kvaløya, die neben Tromsø liegt.

Tags drauf sitze ich in einem Café, esse das erste Mal seit Wochen wieder in einem Restaurant und schaue den Menschen auf der Straße zu.

Auf der Rückfahrt nach Deutschland von Tromsø nach Rovaniemi begleitet mich auf dem über 500 Meter hohem Hochplateau Sonnenschein. Der Wind schubst mich hin und wieder ein bisschen zur Seite. Ich fahre immer entspannter in die Tiefebene, die Temperaturen steigen auf über 20 Grad.

Rovaniemi liegt am Polarkreis. Nach den Zerstörungen des 2. Weltkriegs wurde Rovaniemi wieder aufgebaut. Und die Stadt erhielt einen Weihnachtsmann Phantasie Park, der das ganze Jahr gut besucht wird. In den Sommermonaten kann man für kleines Geld in recht großen Hütten mit eigener Sauna bestens übernachten. Ein gutes Frühstück gibt es obendrauf.

In Rovaniemi nehme ich den Auto-Nachtzug nach Helsinki. In Helsinki sind die Temperaturen auf über 20 Grad gestiegen. Es ist Sommer.

Ich geniesse das Nichtstun und nehme schliesslich die Fähre nach Travemünde.


Nach 10.477 km und genau 5 Wochen bin ich überglücklich, dass ich diese Reise gemacht habe. Keinen Umfaller, Sturz oder Unfall habe ich auf der Tour. Trotz der beheizten Handschuhe sind von der Kälte nur meine Fingerkuppen aufgeplatzt und blutig.
Und der Wind? Tja, ohne seiner furchterregenden Kraft und Unberechenbarkeit wäre die Reise nicht halb so aufregend gewesen.

Ach so, dann war da doch noch etwas mit einer Dose Bier und einem Metallbecher, die ich die ganze Tour bei mir hatte. Am 20.10.2023 werden beide bei einer Veranstaltung in der Bonner Craft Beer Brauerei Ale-Mania, Alaunbachweg 10, ab 19h für einen sehr guten Zweck versteigert. Den Bericht dazu gibt es in gut einer Woche. Ihr könnt aber auch einfach am 20.10.2023 vorbeikommen …

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Veröffentlicht von Tom Pätz Art

Photography Artist

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