Gegen den Wind – Motorradfahren in der arktischen Klimazone

Ein Reisebericht von Tom Pätz

Alle Photos von Tom Pätz und ein Photo von Svetlana Voronkova

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Teil 5 / 7

Im ersten Teil meines Reiseberichts schrieb ich sinngemäß, wer es einsam, kalt und verregnet mag, wen Hagel- und Schneeschauer auch auf dem Motorrad nicht irritieren, ist in der arktischen Klimazone genau richtig.

Die Nordkyn-Halbinsel ist der Flecken Land in Norwegen, der am stärksten Wetterunbilden ausgesetzt ist. Diese Halbinsel mit seinen beiden Postschiffhäfen Mehamn und Kjøllefjord besuche ich in den kommenden Tagen.

Nur eine knapp einen Kilometer breite Landverbindung gibt es zwischen dem Festland und der Halbinsel. Erst im August 1989 wurde die Nordkyn-Halbinsel an das norwegische Straßennetz angeschlossen.

Meine Freude über kurzen Sonnenschein auf dem Isthmus Hopseidet.

Das Tiefdruckgebiet hat sich inzwischen voll entfaltet. Den ganzen Tag treibt Schnee über die Halbinsel. Gegen 15h wird der Schneefall weniger. Da die Nacht hell bleiben wird, fahre ich nach Mehamn.

Der Pass ist eingeschneit, null Grad zeigt das Motorraddisplay. Das Getöse von Wind, Regen und Hagel umschlingt mich. Wie kleine Hammerschläge platzt der Hagel auf den Helm. Ich spüre in diesen Momenten kaum noch das Motorrad; wir sind eins geworden. Wie ein Segel nehme ich den Wind an und rausche über die verschneite, eisige Landschaft. Ich werde immer schneller, pflüge durch den Schneematsch, komme immer wieder aus den Spurrillen heraus.  Bodenwellen reißen mich zur Seite, von meinem Visier muss ich ständig den Schnee wischen. Die Windgeschwindigkeiten liegen zwar nur bei rund 50 km/h, also noch kein ausgewachsener Sturm, aber die Fahrt ist furchteinflößend. Der starke Wind auf dem Hochplateau rät mir vom Anhalten ab. Hier kommst du nur durch, wenn du in Bewegung bist. 

In Mehamn, dem nördlichsten Postschiffhafen mit gut 800 Einwohnern, pfeift der Wind um die Häuser. Ich tanke und fahre weiter Richtung Kjøllefjord, also wieder auf die Anhöhe und dann an einer Gabelung rechts ab. In den letzten Stunden habe ich niemanden auf der Straße getroffen. Auf diesem Flecken der Welt scheint es nur mich zu geben.

 Kjøllefjord

Von der Anhöhe der steilen Abfahrt nach Kjøllefjord habe ich einen wunderbaren Blick zwischen den Bergen durch in den Oksefjord. Der ungeheure Fischreichtum in der Barentssee machte diese Gegend für die ersten Siedler bereits zum Ende der letzten Eiszeit vor etwa 10.000 Jahren attraktiv. Nun sehe ich, dass Wolken, aus denen es schneit, sich in den Fjord bewegen. Der Schneematsch, der auf der Straße liegt, der kräftige Wind, den ich spüre und das starke Gefälle raten mir umzukehren. Die Fahrt nach Kjøllefjord breche ich ab.

In meiner Unterkunft auf der Nordkyn-Halbinsel, in Skjånes, wohne ich bei der Künstlerin und Kunstlehrerin Svetlana Voronkova und ihrem Mann, einem Holzbaumeister. Sie bieten als einzige auf der Halbinsel schöne Zimmer an.

In diesen Tagen wohnen hier ebenfalls für ein paar Tage Taucher von einer Firma auf den Lofoten, Spezialisten, die im Meer Unterseekabel zusammenschließen. Später in der Nacht, in der ich meine Fahrt nach Kjøllefjord abbrach, erfahre ich von Ihnen, dass eines ihrer beiden Fahrzeuge, eine Stunde nachdem ich umkehrte, dort in der Nähe von der Straße gerutscht sei.

Svetlana Voronkova ist Künstlerin und Kunstlehrerin in Skjånes auf der Nordkyn-Halbinsel. Ich wohne drei Tage bei ihr und ihrem Mann. Svetlana zeichnet mit schwarzer Tusche Mythen, die von Fischern und dem Meer handeln. Ihr Werk ‚Superstitions on the sea‘ zeigt Bedrohungen, denen Fischer sich ausgesetzt fühlen. Sie drückt auch aus, wie ich mich dem furchterregenden Wind ausgesetzt fühle.

Tags drauf fahre ich erneut Richtung Kjøllefjord und komme nach einer Sturm umtobten Fahrt dort heil an. In mein Tour Logbuch schreibe ich an dem Abend:

„Das war knapp. Der Wind hat mich über eine sehr lange Strecke unerbittlich gebeutelt. Es war furchterregend, spooky. Viel hat nicht gefehlt, mich von der Straße zu fegen. Ich habe sehr viel Glück gehabt.“

Fortsetzung folgt.

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Veröffentlicht von Tom Pätz Art

Photography Artist

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